Mitten in der Nacht
Autor unbekannt
Im Jahre 1844 stapfte der Mönch Friedrich Layriz durch den Schnee im Hof des Klosters Corvey an der Weser. Er wollte schnell in die Kapelle kommen, wo er den Raum für die Andacht der Brüder herrichten musste. Plötzlich blieb er stehen. Es leuchtete ihm aus der Rabatte eine kleine Blume entgegen. Jetzt im Winter eine Blüte? Da erinnerte er sich, dass ihm ein Missionar aus dem hohen Norden diese Pflanze mitgebracht hatte. Und jetzt blüht sie trotz Schnee und Eis. Da fällt dem Mönch die Verheißung des Propheten Jesaja ein: Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Jes.11,1. Mit diesem Zweig aus der Wurzel Jesajas ist Jesus gemeint. Der Mönch weiß das schon längst, trotzdem rührt es ihn an, diese Blüte und die Erinnerung an Gottes Wort. Es schien ihm alles neu zu sein. Ist es nicht mit dem Kommen Jesu auf die Erde genau so gewesen wie mit dieser Blüte?
· In einem armseligen Stall fing es an. Man hatte kaum etwas, um das Kind zuzudecken. Es war nicht sein eigner Stall, in dem er geboren wurde, als Jesus auf unsre Erde kam.
· Auch das Boot war nur geborgt, aus dem heraus Jesus von Gottes neuer Welt sprach.
· Den Esel hatte er nur geliehen, auf dem er in Jerusalem einzog, bevor sie ihn verdammten.
· Auch der Saal und der Tisch waren gemietet, an dem er seine Freunde zum letzten Mal mit Brot und Wein speiste.
· Nur die Balken, an die sie ihn hängten, waren von Anfang an für ihn bestimmt.
Überhaupt litt Jesus bis zu seinem Tod an der Kälte und Verachtung der Menschen. Und doch brachte er uns durch sein Kommen Freude und Wärme, Licht und Trost, Hoffnung und Frieden. Unter solchem Eindruck begann der Mönch seine Gedanken aufzuschreiben. Ein Lied entstand daraus, das heute noch von der Weihnachtsfreude erzählt.
Es hatte lange gedauert, bis das Blümchen im winterlichen Beet aufging. Wachsen braucht Zeit. Manche Pflanzen bilden im ersten Jahr nur eine Blattrosette. Erst im zweiten Jahr steigt der Stängel. Dann zeigen sich Knospen und erst dann öffnen sich die Blüten. Dann ist die Freude groß. Was lange wärt, wird endlich gut! Geduldiges Warten wird immer belohnt.
Ganz langsam bereitete sich die Geburt Christi vor. Angekündigt war sie schon vor Zeiten. Der tiefere Sinn über das Kommen Jesus steht schon bei Mose. Die erste Seite im Neuen Testament und die Weihnachtslieder erzählen uns davon. Tausende Jahre dauerte es, bis die Rose entsprang, bis sie aus der „Wurzel Jesse“ kam, gemeint ist Isai, der Vater Davids. Die Blüte ging auf als Jesus in Bethlehem geboren wurde. Ganz im Stillen, in einem fernen Winkel dieser Erde.
Aber Christus war angesagt. Viele warteten auf den Trost Israels. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Dann war die Zeit reif für den Heiland der Welt. Jesus wurde geboren für alles Volk in dieser Welt. Er ist in unsere Welt gekommen, damit wir in seine Welt gelangen können. Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.
In Deutschland gibt es eine alte Sitte am Barbaratag. Man holt am 4. Dezember einen Zweig ins Haus, damit er an Weihnachten blüht. Seine Knospen sind zwar noch keine Blüten, aber Hoffnungszeichen. Seine Knospen sind Vorboten der großen Freude, wenn erst die Zeit gekommen ist, wird man sie sehen.
Zum Lied
Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Jesaja 11,1.2
1. Es ist ein Ros entsprungen / aus einer Wurzel zart, / wie uns die Alten sungen, / von Jesse kam die Art / und hat ein Blümlein bracht / mitten im kalten Winter / wohl zu der halben Nacht.
2. Das Blümlein, das ich meine, / davon Jesaja sagt, / hat uns gebracht alleine / Marie, die reine Magd; / aus Gottes ewgem Rat / hat sie ein Kind geboren, / welches uns selig macht.
3. Das Blümelein so kleine, / das duftet uns so süß; / mit seinem hellen Scheine / vertreibt's die Finsternis. / Wahr' Mensch und wahrer Gott, / hilft uns aus allem Leide, / rettet von Sünd und Tod.
4. O Jesu, bis zum Scheiden / aus diesem Jammertal / lass dein Hilf uns geleiten / hin in den Freudensaal, / in deines Vaters Reich, / da wir dich ewig loben; / o Gott, uns das verleih!
Text: Strophen 1.2 Trier 1587 / 88;
Strophen 3.4 bei Fridrich Layriz 1844
Melodie: 16. Jh., Köln 1599
Satz: Michael Praetorius 1609
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