Gott wohnt in einem Licht
Jochen Klepper * 22.3.1903 + 11.12.1942 (Klepper wurde 39 Jahre alt)
In dem Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“ von Jochen Klepper, das uns Irina Barsegowa ins Russische übersetzt hat, kommt oft das Wort Nacht oder das Wort Dunkel vor. Es war eine finstere Zeit in Deutschland. Sicher drückt der Dichter Jochen Klepper damit aus, was er sieht oder empfindet. Die 5. Strophe beginnt: Gott will im Dunkeln wohnen! Ist 1938 entstanden. Im gleichen Jahr hat er aber auch (nach 1. Könige 8,12 und 2. Mose 20,21)
das Lied getextet: Gott wohnt in einem Lichte. Welches war wohl zuerst entstanden? Was wissen wir von ihm?
Am 22.3.1903 wurde Jochen Klepper geboren. (Im Jahr 2013 also vor 110 Jahren.) Sein Vater war Pfarrer in Beuthen in Niederschlesien. Dieser wollte gern, dass ein Sohn ebenfalls Pfarrer wird und schickte ihn zum Studium nach Breslau. Dort hat Jochen Klepper zwei wesentliche theologische Erkenntnisse gewonnen. Zunächst die tiefgründige Theologie von Martin Luther und dieses Bodenständige und Kernhafte. Diese aus dem Glauben geborene Praxis und dieser aus der Praxis geborene Glaube des Reformators Luther haben Klepper zeitlebens beeindruckt. Er merkte, dass der Glaube ein Fundament haben muss, etwas Ursprüngliches, eine Tiefe, die es auszuloten gilt.
Dann aber wurde ihm auch die Schwäche der wissenschaftlichen Theologie bewusst. Theologie ist ja etwas Wunderschönes, wenn sie nicht theoretisch bleibt. Aber oft gelangt das theologische Wissen nicht vom Kopf bis ins Herz. Dann ist Wissen nicht nur Stückwerk, sondern auch vergebliche Mühe. Das Herz bleibt leer, der Pfarrer predigt ohne Vollmacht, die Gemeinde trocknet aus.
Nichts gegen theologische Wissenschaft, aber sie schafft eben nur Wissen und nicht Glauben. Darum hat sich Klepper nicht zum Pastorenberuf durchringen können. Er wollte kein leeres Stroh dreschen, wie er das fast überall auf den Kanzeln erlebte.
Die liberale Theologie herrschte vor und ließ die Gemeinde leer ausgehen. Zum Beispiel ist eine Weihnachtspredigt überliefert, die einer Gemeinde von ihrem Pfarrer am Christfest vorgesetzt wurde. Thema: „Von dem Nutzen der Stallfütterung“, da Jesus ja auch in einem Stall geboren wurde.
Schon mit 25 Jahren hatte Jochen Klepper sein schriftstellerisches Talent entdeckt. Er wurde beim Evangelischen Presseverband angestellt. Er redigierte und schrieb Artikel und sprach im Rundfunk. Als er 30 Jahre alt war erschien sein erstes Buch „Der Kahn der fröhlichen Leute“. Bekannt wurde er aber durch seinen großen geschichtlichen Roman „Der Vater“ über Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. von Preußen.
Mit 35 Jahren gab er ein Büchlein heraus „Kyrie“, das viele schöne Gedichte enthielt. Einige wurden vertont. Die meisten stammen aus dem Jahr 1938 und finden sich heute in unserem Gesangbuch wieder, 13 davon im neuen württembergischen Gesangbuch aus dem Jahr 1996. Man hat ihn sogar den „größten evangelischen Liederschöpfer des 20. Jahrhunderts“ genannt.
Aber es gab zwei große Probleme in seinem Leben. Erstens: Er war in eine Zeit hineingeboren, die für ihn und seine Glaubensüberzeugung nichts übrig hatte. Durch den Geist des Nationalsozialismus wurde er in seiner Tätigkeit sehr eingeengt. Und seine literarischen Freunde waren den Nazis genau so feind, wie er selbst: Kurt Ihlenfeld, Harald Braun, Samuel Rotenberg, Rudolf Alexander Schröder und Reinhold Schneider. Letzterer wurde sogar im Konzentrationslager Buchenwald umgebracht. Denn wahre Christen waren immer auch Freunde Israels, dem alttestamentlichen Gottesvolk. Und die Theorie von „Blut und Boden“ findet in der Bibel absolut keinen Grund. Darum waren viele entschiedene Christen sehr verhasst.
Dann aber kam noch das zweite Problem hinzu. Er hatte die Jüdin Hanni Stein geheiratet, Tochter eines jüdischen Kaufmanns und Witwe eines Rechtsanwalts, mit zwei Töchtern. Darum musste er seine Stellung bei Presse und Rundfunk aufgeben. Sein unerschütterlicher Glaube an Jesus Christus hat auch sein Frau Hanni überzeugt, so dass sie selbst zum Glauben an Christus fand. Das war für ihn eine besondere Gebetserhörung.
Viele Christen hatten begriffen, wer unter ihnen lebte und wirkte, der ihnen viele ermutigende Lieder und Gedichte schenkte. Sein Tagebuch ist ein beredtes Zeugnis von den Erkenntnissen, die er aus der Bibel gewonnen hatte. Viele seiner Lieder sind der Bibel und dem „Trost Israels“ genau nachgespürt. Er hat viele getröstet, aber er selbst brauchte den größten Trost. Gott mutete ihm einen sehr schweren Weg zu.
Die Nazis haben Jochen Klepper 1938 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Damit konnte er nichts mehr veröffentlichen. Finanziell hat sich die Familie mit Rundfunkbeiträgen und Artikel zum Thema Mode durchgeschlagen, weil seine Frau Johanna eine Schneiderin und Modemacherin war. Über seinen Besitz und seine Einkünfte konnte er nicht mehr frei verfügen, weil sie als „jüdisches Vermögen“ einem besonderen Gesetz unterlagen und immer wieder mit hohen Sondersteuern belastet wurden. Seine Frau und ihre Töchter Brigitte und Renate bekamen auch weniger Lebensmittel zugeteilt und keine Kleiderkarten. Eine Mischehe galt als geistige und menschliche Entartung.
1940 wurde er zum Heeresdienst eingezogen und diente in Rumänien und Russland, aber auch da wurde er schon nach einem Jahr wieder wegen seiner jüdischen Familie als „wehrunwürdig“ entlassen. Manche wollten ihn bewegen, dass er sich von seiner Frau und den Töchtern trennen sollte.
Kleppers Situation wurde immer auswegloser. Ständig musste er befürchten, dass sie in einem Konzentrationslager der Vernichtung preisgegeben wurden. Eine Tochter konnte noch 1939 nach England emigrieren, die andere hat es in der Schweiz versucht, wurde aber abgelehnt, musste ihre Ausbildung abbrechen und den „Gelben Stern“ tragen. Klepper drang bis in die oberen Partei- und Regierungsspitze vor, um seine Familie zu retten. Er war sogar bei dem berüchtigten Judenhasser Adolf Eichmann.
Eines Tages war die Nachricht durchgesickert, dass seine Frau und eine Tochter unmittelbar vor der Deportation ins Vernichtungslager standen. Sie aber wollten beieinander bleiben und lieber miteinander in den Tod gehen. Seine letzte Tagebucheintragung war am 10. Dezember 1942.
„Wir sterben nun – ach, auch das liegt bei Gott -, wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“
In der darauffolgenden Nacht, der Nacht auf den 11. Dezember 1942, ging Jochen Klepper mit den Seinen in Berlin-Nikolassee selbst in den Tod.
Fragen die sich uns stellen können:
Wohnt Gott in einem Licht, wie Klepper gedichtet hat?
Oder will Gott im Dunkeln wohnen, wie Klepper auch geschrieben hat?
Kennen wir auch die Nacht und das Dunkel, das Leid und die Schuld?
http://www.youtube.com/watch?v=18cBsAxx1Hs
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Die Nacht ist vorgedrungen
1. Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.
Römer 13,11.12
2. Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.
3. Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.
4. Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.
5. Gott will im Dunkel wohnen*
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.
* 1. Könige 8,12
Evangelisches Gesangbuch Nummer 16
Text: Jochen Klepper 1938
Melodie: Johannes Petzold 1939
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